Vor mehr als vier Jahren habe ich meine Firma gegründet, Treffpunkt Idee. Ich habe das aus einer gutsituierten Situation, mit festem Job, Familie und alles was dazu gehört, gemacht. Ohne Druck. Nur mit der Sehnsucht, mehr von dem zu versuchen, umzusetzen, was in meinem Kopf steckt. Mein Wissen, meine Interessen, meine Neugier besser einzusetzen. Neues zu Entdecken und Potentiale freizusetzen, die ich vielleicht noch gar nicht entdeckt hatte.
Die Firmengründung und die ersten bezahlten Aufträge haben sich sehr gut angefühlt. Und einteilen konnte ich mir auch alles sehr gut. Wenn keine Aufträge kamen, war das nicht so schlimm, denn es gab so gut wie keine fixen Kosten, nur meine investierte Zeit. Und diese Zeit würde ich auch ohne Aufträge in ähnliche Beschäftigungen investiert haben: Mir macht es nun mal ein Heidenspaß herauszufinden, was man mit Computern, smartphones u.ä. so anstellen kann. So ist u.a. der Treffpunkt Idee Augmented Reality Demo Cube entstanden.
Die erste Verantwortung
Es wurden mehr Aufträge und vor mehr als 2 Jahren habe ich für Treffpunkt Idee dann die Büroräume angemietet, in denen wir uns noch immer befinden.
Wenn auch überschaubar, war dies der Punkt, an dem die ersten Fixkosten, nämlich die Büromiete, anfielen, die zumindest jeden Monat zuverlässig eingespielt werden mussten.
Und damit der Punkt, in dem ich sozusagen Verantwortung für die Firma hatte. Vorher – wenn keine Aufträge gekommen wären, hätte es keiner gemerkt, und es hätte niemanden interessiert – es hätte keinerlei Auswirkungen gehabt.
Jetzt hätte ich mein Büro wieder aufgeben müssen, wenn die Aufträge ausgeblieben wären. Sie sind nicht ausgeblieben.
Im Gegenteil, es kamen recht schnell Monate, wo ich mich voller Herzklopfen gefragt habe, wie ich das alles schaffen soll.
Es waren ja nicht nur die Aufträge selbst, sondern auch immer mehr Papierkram, mit dem ich mich befassen musste – eine Tätigkeit die ich hasse, wie der Teufel das Weihwasser.
Mit dem Büro im Rücken, den immer mehr werdenden Aufgaben und einem kleinen finanziellen Polster, das ich mir durch abgeschlossene Projekte erarbeitet hatte, reifte der Entschluss, das ich Verstärkung bräuchte. Ich schrieb eine Stellenausschreibung auf die Firmenwebsite von Treffpunkt Idee, worauf hin sich natürlich niemand meldete. Die Reichweite war viel zu klein, und bisher kamen jegliche Anfragen, etc. durch persönliche Kontakte zu Stande. Keine Ahnung, ob bis dahin überhaupt jemand die Firmenwebsite von Treffpunkt Idee gesehen hatte. Dabei habe ich mir eine solche Mühe gegeben.
Logischerweise achtete ich zu diesem Zeitpunkt nicht nur auf jeden Euro, sondern auf jeden Cent. Es gab schließlich einige Sachen, die bezahlt werden wollten, auch wenn ich mal einen Monat keine Rechnung ausstellen konnte.Trotzdem habe ich mich schweren Herzen dazu durchgerungen zum ersten Mal in meinem Leben für mehrere hundert Euro eine Stellenanzeige in der Zeitung zu schalten. Ohne zu wissen, ob sich darauf denn jemand meldet, was das für Menschen sind und ob das Geld nicht einfach aus dem Fenster geschmissen ist.
Jeden weiteren freien Euro habe ich in weitere Büroausstattung gesteckt, die essentiell war: Eine Küche musste her. Erstmal, dass ich mir wenigstens einen Kaffee machen kann und dann – was sollten Bewerber denken, wenn sie in ein komplett leeren Büro kommen?
Die ersten Bewerbungsgespräche
Es haben sich tatsächlich einige Bewerber gemeldet, worüber ich schon mal froh war.
Aber ich habe noch nie ein Bewerbungsgespräch von dieser Seite aus geführt. Natürlich habe ich alles, was ich in die Finger bekommen konnte, über Bewerbungsgespräche, etc. gelesen (das meiste davon ist übrigens eher für Bewerber geschrieben, als für die Menschen, die das Bewerbungsgespräch führen müssen). Ich wollte alles Richtig machen: Selbst einen guten Eindruck hinterlassen, rüberbringen, wofür ich und die Firma stehen und natürlich tatsächlich herausfinden, ob und wenn ja welcher Bewerber zu mir und dieser Firma passt.
Ich weiß nicht, ob man mir das angemerkt hat, aber ich würde mal vermuten, dass ich bei dieser ersten Runde der Bewerbungsgespräche nervöser war als die Bewerber. In jedem Fall war ich sehr viel nervöser, als bei allen Bewerbungsgesprächen, die ich als Jobsuchender geführt habe 😉
Bei diesen Bewerbern hatte ich dann einen großen Querschnitt von dem, was man so erleben kann: Menschen, bei denen ich schon nach weniger als einer Minute wusste, dass es nicht passt. Innerliches starkes Kopfschütteln, bis hin zu äußerst interessanten Menschen, mit denen sich die Gespräche dann auch über eine viel längere Zeit hinzogen, als geplant.
Und alle die Pläne, Auswahlkriterien, die ich im Vorfeld mit Hilfe meiner umfangreichen Literatur aufgestellt hatte, haben sehr viel weniger gebracht, als am Ende mein – Bauchgefühl.
Am Ende waren es zwei Bewerber, bei denen ich mir vorstellen konnte, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Und eine Menge Erkenntnisse die ich gesammelt hatte: Bewerbungsunterlagen nehme ich noch weniger für voll, als ich es vorher schon gemacht habe. Trotzdem sind sie wichtig, wenn sich vorher gänzlich unbekannte Personen bewerben.
Ich musste mich also erstens entscheiden, ob ich es tatsächlich wage zum damaligen Zeitpunkt einen Mitarbeiter einzustellen, der neben meinen inzwischen einigen Posten an Fixkosten, einen weiteren Posten hinzufügt, den ich in die Arbeit einführen und auch für einen längeren Zeitraum beschäftigen können muss.
Ich schreibe hier von Kosten; was ein Mitarbeiter definitiv auch verursacht. Aber schon immer habe ich versucht das genau anders herum zu sehen: Ein Mitarbeiter verursacht keine Kosten, sondern bereichert das Unternehmen und bringt es weiter. Er schafft Werte.
Der erste Mitarbeiter
Das ist schön zu denken, wenn man es theoretisch denkt, aber mit seiner eigenen Person und Firma dafür zu stehen, dass diese Werte auch tatsächlich jeden Monat so geschaffen werden, dass man seine Mitarbeiter bezahlen kann, ist das nochmal was Anderes. Denn das ist kein Computer mehr, den man verkaufen kann, kein Büro das man kündigen kann, sondern ein Mensch mit ganz eigenen Bedürfnissen, Erwartungen, Hoffnungen.
Und wenn ich jemanden einstelle, wollte ich mir sicher sein, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen erfüllen kann. Aber hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben, nirgends. Zweifel.
So habe ich meinen ersten Mitarbeiter eingestellt. Mit einem mulmigen Gefühl, aber auch mit großer Zuversicht und Neugier – in diesem Kontext etwas ganz Neues, Spannendes für mich.
(Diese Mitarbeiterin feiert übrigens nächsten Monat ihr zweijähriges Jubiläum bei uns, worüber ich mich wirklich sehr freue – mein Bauchgefühl hat funktioniert und ich konnte die in mich und die Firma gesetzten Erwartungen erfüllen ).
Im Flow
Warum schreibe ich das – und das auch noch so ausführlich?
Vor ein paar Wochen war ich bei einem Termin in München und in der Vorbereitung ist mir aufgefallen, dass mein letzter privater Blogbeitrag bereits mehr als 1 Jahr zurückliegt und mir kommt es vor, als sei das alles erst vor einer Woche gewesen.
Was ist passiert in dieser Zeit?
Nun, gefühlt hatte ich zu wenig Zeit hier weiter zu schreiben. Eine häufige Ausrede. Aber auch mein ganz privates Tagebuch habe ich ungefähr zu dem Zeitpunkt aufgehört zu schreiben, an dem ich das Büro für Treffpunkt Idee gemietet habe.
Aber im Ernst, ich war und bin im Flow. Im schlimmsten Fall würde man sagen – und viele sagen mir das tatsächlich auch – „Du arbeitest zu viel“, „Du musst Dich doch auch irgendwann mal erholen!“, im Besten Fall würde ich sagen, gehe ich in meiner Tätigkeit voll auf und noch nie war es so schön, durchgängig so produktiv zu sein.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte:
Seit meinem letzten Blogbeitrag hier ist tatsächlich eine Menge passiert. Aus meinem kleinen Garagenstartup Treffpunkt Idee, das wie oben geschildert entstanden ist, um mich etwas mehr meinen Spinnereien hinzugeben, ist ein echtes kleines Unternehmen geworden. Mit Mitarbeitern, einer soliden Auftragsbasis und einiger Arbeit, die ich vorher nicht vorhergesehen habe, oder die nicht ins Gewicht gefallen ist, wenn man alles mit sich selbst regeln kann.
Einerseits sprudeln die Ideen, was man machen könnte, was umzusetzen wäre, andererseits kriecht langsame Ernüchterung hoch, wenn man merkt, dass jede einzelne dieser Ideen, die alleinige Aufmerksamkeit benötigt um zumindest die Chance zu haben, erfolgreich zu sein.
Priorisierung ist angesagt: Die meisten Ideen landen im Papierkorb oder der Schublade, womit die Aufgabe weiter gesund zu wachsen immer größere Priorität gewinnt: Denn nur so können wir immer mehr dieser Ideen validieren und umsetzen.
Und so habe ich Zeiten größten Glücks: Mein eigener Herr, alles wächst und gedeiht, toll. Gleichzeitig ist es die beste Form von Bestätigung, wenn es positiv läuft: Dafür bin ich verantwortlich und habe damit etwas Einzigartiges geschaffen. Da bewerben sich coole Leute initiativ, weil sie unbedingt mit uns arbeiten wollen. Ein so tolles Gefühl und Bestätigung dafür, dass die ganzen Gedanken, Theorien und Versuche und Erfahrungen, die ich diesbezüglich habe, so falsch nicht sind.
Kunden, die einem ans Herz wachsen, und mit denen man im Laufe der Zeit ein freundschaftliches Verhältnis aufbaut, das auf Vertrauen beruht. Mit dem es gelingt, gemeinsam Sachen auszuprobieren, die vorher noch nie jemand probiert hat. Das sind genau der Weg und das Ziel, die ich verfolge.
Oder das überragende Feedback und die Anerkennung auf Projekte, wie beim Hackathon für das Holodeck des Fraunhofer Instituts, wo man tolle Menschen kennenlernt und Selbstvertrauen tankt. Darüber habe ich auch hier geschrieben: Fraunhofer Virtual Reality Holodeck 4.0
Und dabei weder die Zeit merke, die vergeht, noch die Energie, die das kostet. Flow eben.
Der Druck
Auf der anderen Seite habe ich riesigen Druck: Es geht alles zu langsam, da sind noch viel mehr Ideen, die umgesetzt werden müssen, und jetzt sind wir aber schon mit der Zeit hinten dran. Und mit jedem durchgeführten Projekt ergeben sich noch mal 5 neue Möglichkeiten von Projekten, die man aber einfach nicht ausführen kann, weil man nicht schnell genug wächst, bzw. Das Gefühl hat, gar keine Zeit zu haben, sich darüber Gedanken zu machen, wie und wo man nun wächst.
Menschen die sich vor den Kopf gestoßen fühlen, weil ich manchmal fahrig, gedankenverloren, total aufgeputscht und euphorisiert, wie aus einer anderen Welt heraus schaue.
Und es müssen Projekte und Rechnungen fertig gemacht werden – die Kosten, die Erwartungen, die erfüllt werden wollen…
Das eigene Baby
Und da ist die Firma selbst, die mehr ist, als ein neues eigenes Baby. Egal, was wie passiert, was die Firma betrifft, das bin ich. Wenn ein Kunde denkt, dass es Mist ist, was wir machen, ist es Mist, was ich mache. Es gibt keine Ausreden mehr. Im Konzern kannst Du noch sagen, mir sind die Hände gebunden oder das hat die Produktion verbockt.
Hier nicht. Hier bin ich voll und ganz verantwortlich für Alles. Und egal, was schief läuft, es ist mein Fehler. Nicht dass es wirklich so sein muss – aber diesen Anspruch habe ich an mich selber und es ist die einzige Möglichkeit, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der sich alle trauen, ihre echte Meinung zu sagen und ihre Ideen einzubringen.
Der Alltag
Inzwischen bin ich auch wieder vermehrt mit Sachen beschäftigt, die es mir im Konzern manchmal verdorben haben, produktiv zu sein: Abstimmungen, Telefonate, Listen. Sowas. Und gefühlt viel zu wenig Zeit, Neues und Neues auszuprobieren und sich zu überlegen, was man daraus machen könnte. Konzepte zu verfeinern. Ein Lernprozess. Manches davon macht extrem Spaß und gehört dazu. Für anderes werde ich wohl bald jemanden brauchen, einen Leader, der die Zügel in der Hand hält. Um mich auch wieder ab und zu eigenbrötlerisch an meinen Ideen werkeln zu lassen und dann mit etwas ganz Tollem um die Ecke zu kommen.
Für all diese Gedanken habe ich im Augenblick wenig Zeit und das behindert nicht nur das Vorankommen, sondern eben auch die Reflexion darüber, was sonst noch so in meinem Umfeld passiert, wie ich mich verändere und an welcher Stelle ich gegensteuern muss, weil sonst Gefahren entstehen, die ich noch gar nicht ausgemacht habe.
Noch weniger Zeit habe ich, um z.B. hier zu schreiben, obwohl ich so gern schreibe. Aber wenn ich dann mal die Muße und die Ruhe habe, ist meist keine Möglichkeit etwas aufzuschreiben. Das tritt bei mir immer ein, wenn ich körperlich etwas machen muss, wofür ich den Kopf nicht brauche: Duschen, Autofahren,… Das gibt meinem Kopf die Möglichkeit loszulassen. Die Gedanken frei surfen, durch Täler segeln oder in den Weltraum zu schießen. Manchmal halte ich tatsächlich kurz an, um wenigstens Stichpunkte festzuhalten, komme dann aber freilich nicht dazu diese auszuformulieren.
Zeit für…
Und so fehlt insgesamt ein wenig die Struktur und dann auch der Zug auf ein ganz klar umrissenes Ziel. Am Anfang war diese Vorgehensweise sehr gut, weil man ja nicht wissen kann, was das Erfolgversprechendste oder auch das mit dem meisten Spaß ist. Aber nun kommt langsam die Zeit, sich die Zeit frei zu boxen, um zu reflektieren, solche Fragen zu beantworten, den nächsten Schritt zu gehen und die nächste Stufe zu zünden.
Und eine Frage kann ich wahrscheinlich schon grob beantworten: Ja, das Ganze macht was mit mir. Ich verändere mich, lerne vielleicht das eine oder andere, dass mir früher gefehlt hat, entfalte neue Potentiale, denke neue Wege. Ich wusste schon vorher, dass das sehr schmerzhaft sein kann, aber auch, dass es ganz neues Glück bedeuten kann. Ich wollte es mir selbst beweisen und hatte den Mut diesen Weg zu gehen. Es lohnt sich!
Zwischenstand
nzwischen haben wir neue, größere Bürofläche angemietet, die wir im nächsten Frühjahr beziehen dürfen. Ich weiß sehr viel besser, wie ich gute Leute finde und mein Netzwerk nutze. Und ich brauche kein zwei Jahre im Voraus gefülltes Auftragsbuch um den Mut zu haben, neue Mitarbeiter einzustellen.